Geschichten

Geschichten
Die Welt, in der wir leben

Wir erleben sie oft nur noch in der glücklichen Vergangenheit.
Früher, einst....war alles anders!
Damals noch in den goldenen Zeiten.....!
Es war wirklich alles anders - vieles besser. Und wir fragen nicht danach, warum die Welt heute so ist.
Fragen nicht, wer die Schuld daran trägt. Weil wir Angst haben, Angst vor der Wahrheit. Erkennen müssen, daß wir selbst Hand angelegt haben. Die Vernichtung als selbstzerstörerischen Akt begreifen müssen. Doch wer will schon Schuld tragen an dem nicht mehr aufhaltbaren Chaos?

Wer kann zugeben, daß er versagt hat?
Menschliches Versagen können wir alle tolerieren..
Und wir alle sind Menschen. Unser Versagen ist doch entschuldbar. Für einige von uns.
Doch wir machen weiter. Das Erkennen soll unerkannt bleiben. Die Alibifunktion bleibt erhalten: Menschliches Versagen!

So erhalten wir das Wettrüsten. Das Wettrüsten mit der Zeit der Geigerzähler tickt. Laut dröhnt er in unseren Ohren. Das Geschrei um den Frieden wird oft nur benutzt. Unser Gehör wird langsam taub. Taub für das Ticken der Zeitbombe.

Und die Welt, in der wir leben, wird die Welt, in der wir uns vernichten.....!



Mein Freund der Baum

Samstagmorgen. Ein noch beginnender, nebliger Tag.
Die wärmende Sonne des Julimorgens bleibt nur zu erahnen.
Ich verspüre das Bedürfnis, einatmende Luft genießen zu wollen.
Meinen Freund zu sehen, den ich zwei Wochen nicht mehr besuchte.
Er lässt mich stets ausruhen, schenkt mir wärmenden Schutz.
Mein Fahrrad lasse ich am Waldrand stehen, trage meine Schuhe in der Hand.
Wohlig empfinde ich den noch kühlen Waldboden. Fühle mich meinem Freund
näher, fast verwurzelt.

Ich verweile einen Augenblick. Es scheint, als will mich die Natur begrüßen.
Das Rascheln der Blätter, das sanfte Wiegen der Baumwipfel.... und das
Vogelgezwitscher. Warum aber wird mein Herz so schwer? Scheint es mir nur
so, als ob heute alles trauriger klingt?
Die Biegung habe ich fast erreicht. Von hier kann ich meinen Freund immer
stumm bewundern. Noch kann ich ihn nicht sehen. Wenige Schritte nur und
ich müsste bei ihm sein....!

Ich will es nicht glauben! Meine Augen können mich nicht so belügen!!
Ein riesiges Loch im Waldboden! Mein Freund ist tot.......
Der Saft seiner Wurzeln tränkt die Erde. Es ist, als würden meine Tränen
sich mit ihm vereinen.

Der Wind hört auf zu atmen... der Wald ist ganz ruhig......
Kein Vogel singt mehr.....
Adieu mein Freund. Sie vernichten nicht nur Dich.....Sie vernichten uns alle!!



Männer! Sind sie nicht alle gleich?

Den folgenden Artikel habe ich im Frühjahr 2001 für den Wettbewerb "Mein digitaler Alltag" von Spiegel Online geschrieben.


Samstagabend 23.00 Uhr. Bis gerade habe ich TV geglotzt, und eigentlich will ich ja auch nicht online gehen. Verdammt, zum Teufel mit den Vorsätzen. Ob K. mich immer noch verfolgt, mir in jedes Forum wie ein Hund nachläuft?

Vielleicht begreift er ja irgendwann, dass es vorbei ist zwischen uns.

Dafür wünsche ich mir sehnsüchtig, dass der Prinz wieder da ist. Niemand hat diesen Humor, ist so schlagfertig, so klug.....

Wenig los im Forum, kein Prinz da. Schade. Eigentlich könnte ich mich besser ins Bett legen. Aber da werde ich angeklickt. "m oder f"? Wie ich diese Fragen hasse! "Wo kommst Du her, wie siehst Du aus....usw."

Nein, darauf habe ich heute überhaupt keinen Bock. Also klicke ich ihn weg. Immer noch keiner im Channel.

Aber K. taucht auf

Der hat mir gerade noch gefehlt. Es nervt mich gewaltig. Selbst den Dümmsten müsste allmählich auffallen, dass da zwischen uns was gelaufen ist. Er macht öffentlich anzügliche Bemerkungen - was ich für eine tolle Frau bin, tolle Haare habe, wie gut ich koche.

"Hallo meine Liebe, mal wieder im Keller?" Diese Frage hätte er sich doch schenken können. Er sieht doch, dass niemand in den Räumen ist. "Klar, wo sonst" antworte ich recht unwirsch. Unter "Mitverfolgen" taucht Prinz auf. Mein Herzschlag verdoppelt sich. Ich muss K. loswerden. "Hör mal, ich muss noch 'ne Menge Messis beantworten, also viel Spaß noch, bye" tippe ich in K's Fenster.

Beleidigt zieht er von dannen, verlässt das Forum. Der Prinz hat mich immer noch nicht angeklickt. Ober er mit einer anderen chattet? 10 Minuten warte ich bereits. Typisch Prinz. Wahrscheinlich wartet er darauf, dass ich ihn anklicke. 20 Minuten. Inzwischen habe ich mir einen Kaffee gekocht. Immer noch keine Gesprächseinladung. Mir ist zum Heulen zumute.

Prinz erinnert mich an meine große Liebe, die vor einigen Jahren auch hier begann. Zwei Jahre hielt sie, und es war eine traumhaft schöne Zeit...

Zu schön, um ein Leben lang zu halten.

Gerade komme ich mit dem zweiten Kaffee aus der Küche, sehe ich schon von weitem eine Gesprächseinladung.

Endlich.

Wieso hat Prinz mich so lange warten lassen? Ich verschütte den Kaffee, weil ich zum Rechner eile. Verdammt...

Don Juan hat mich angeklickt. Vor lauter Wut und Enttäuschung nehme ich ihn an. Prinz ist immer noch im Foyer. "Hallo Unbekannte, schönes Profil hast Du. Liest Du Sartre?"

"Klar, würde ich ihn sonst ihn meinem Profil erwähnen?" ist meine eher schnippische Antwort.

Männer!! Sind sie nicht alle gleich? Was wird er mich als nächstes fragen? Welche Oberweite ich habe, welche Vorlieben beim Sex?

"Ich mag kluge Frauen. Was liest Du sonst noch?"

Wieso erstaunt mich das jetzt? "Camus, Neruda, Elytis, Yeates, um nur einige zu nennen. Und Du? was liest Du ?" Immerhin scheint das mal ein guter Chatpartner zu sein, dessen Thema nicht unbedingt Sex ist.

Bevor er antwortet, sehe ich unter Mitverfolgen, dass Prinz das Forum verlassen hat.

Dieser Mistkerl. Morgen wird er mir vermutlich erzählen, dass sein System defekt war.

Fast hätte ich die Antwort von Don Juan überlesen " Kant, Hegel, natürlich auch Sartre und Novalis. Was machst Du in Deiner Freizeit denn so?"

Ich sollte Prinz abhaken. Dieser Mann hier hat Niveau. "Du, ich lese natürlich viel, schreibe Lyrik, treffe mich mit Freunden , mache ein bisschen Sport".

"Liest sich ja alles sehr gut. Was meinst Du, sollten wir uns nicht mal treffen?" Bei dieser Frage läuten schon meine Alarmglocken. "Sag, dass ich mich irre, lieber Gott" sage ich laut vor mich hin, schreibe aber: "Warum sollten wir uns so rasch treffen?"

"Weil kluge Frauen mich wahnsinnig geil machen".

Es kam, was kommen musste!

"Idiot", schreibe ich noch in sein Fenster, um ihn gleich danach wegzuklicken und mich aus dem Forum abzumelden.

Schade, dabei war im Fernsehen heute echt ein gutes Programm. Habe ich verpasst.


Hier noch der Link zum Originalartikel:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/mein-digitaler-alltag-maenner-sind-sie-nicht-alle-gleich-a-116297.html 


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